Esce l’edizione commentata del libro dell’inglese John S. Stephens, che nel 1929 esaminava con preoccupazione le aree di conflitto dell’Europa uscita dalla prima guerra mondiale e tra queste il South Tyrol.

 


 

 John S. Stephens

Danger Zones. Eine Untersuchung zu nationalen Minderheiten in Europa

Herausgegeben und kommentiert von Hannes Obermair und Josef Prackwieser Aus dem Englischen übersetzt von Maria Kampp.

 

© Edizioni Alphabeta Verlag, Bolzano/Bozen 2024

ISBN: 978-88-7223-428-0

ISBN E-Book: 978-88-7223-432-7

 

Presentazione presso la Biblioteca Friedrich Tessmann di Bolzano il 28.11.2024, alle ore 20:00 (qui per maggiori informazioni)

 

Nel 1929 Leonard e Virginia Woolf pubblicarono Danger Zones (“zone di pericolo”) dello storico inglese John S. Stephens (1891-1954). Si trattava di un’acuta analisi delle nuove minoranze nazionali nate con lo spostamento dei confini europei dopo la Prima guerra mondiale. Secondo la sua diagnosi, se non si fosse proceduto alla pacificazione di queste danger zones, l’Europa sarebbe precipitata in un’altra guerra. Purtroppo gli eventi successivi gli diedero ragione.

Secondo Stephens si sarebbe dovuto tutelare le minoranze sia per evitare futuri conflitti tra Stati nazionali, sia perché esse avrebbero potuto svolgere un ruolo di pacificazione in Europa, come ponti tra nazioni tradizionalmente antagoniste e troppo centralizzate.

Queste sue lontane riflessioni non perdono di attualità nella cornice dell’Europa di oggi, lacerata dal risorgere di spinte nazionalistiche e nuovi conflitti.

 

 

 

EINLEITUNG

 

von Hannes Obermair und Josef Prackwieser

 

Vor 95 Jahren erschien in London die Studie „Danger Zones. A Study of National Minorities“ (zu Deutsch: „Gefahrenzonen Europas. Eine Untersuchung zu nationalen Minderheiten“) von John S. Stephens (1891–1954). Der weithin vergessene Text aus der Zwischenkriegszeit wird in diesem Buch zum ersten Mal kommentiert und in deutscher Übersetzung neu herausgegeben.

Aber warum lohnen sich Wiederentdeckung und „Relektüre“ dieses beinahe 100 Jahre alten Essays, der eindringlich von der prekären Situation nationaler Minderheiten in der Zwischenkriegszeit berichtet? Zunächst wegen der analytischen Frische seiner Zeitgenossenschaft, mit der sich der englische Historiker Stephens dem Sujet der Untersuchung widmet: Als Sonderberichterstatter der Minderheitenkommission im Völkerbund reiste Stephens in die verschiedensten Minderheitengebiete in Europa, unterhielt Korrespondenzen mit Vertretern der lokalen Intelligenzija oder sprach mit Gewährsleuten vor Ort, deren Auskunft er kritisch in seinen Bericht aufnahm. Mit empathischem Blick beschreibt er die Situation der zahlenmäßig kleineren sowie oftmals sozial und rechtlich schwächer gestellten Bevölkerungsgruppen des Kontinents in den 1920er-Jahren. Selbst Angehöriger einer religiösen Minderheit in Großbritannien (er war ein Quäker aus Cornwall), wusste er aus der Geschichte seiner Konfession nur zu gut um die potenzielle Diskriminierung, mit der Menschen wegen ihres vorgeblich „minderen Status“ von der Mehrheitsseite zu rechnen haben.

Diese ureigene Perspektive schärfte auch sein Urteil, das er seinen Lesern präsentiert, nicht ohne dabei auf die Topoi kanonischer englischer Bildung und hie und da eingestreute Bibelverweise zurückzugreifen. „Minderheit“ in unserer heutigen Lesart war damals ein relativ neuer Begriff und kam gehäuft   expressis verbis   zum ersten Mal im Umfeld der Völkerbundgründung in Genf auf. Stephens näherte sich dem schwer kategorisierbaren, vielgestaltigen Phänomen mit gezielten, diachronen Vergleichen: Neben der Aufklärungszeit interessierte er sich besonders für die Religionskriege in der Frühen Neuzeit. Für ihn waren die Konfessionen jener Zeit die ersten „Minderheiten“ – etwa die Hugenotten im Frankreich des Kardinals Richelieu und ihr prekärer Status zwischen rechtlich zugesicherter Toleranz, Verfolgung und Ausweisung.

Auch seine Fallstudien, die von Sowjetrussland über das Baltikum nach Polen, Ungarn, Südtirol bis zum Balkan reichen, schrieb er im Wissen um die geschichtlichen Bedingtheiten und widerstreitenden Erinnerungskulturen der dort jeweils vorherrschenden Minderheitenfragen. Sein Gegenwartsbericht bewahrt auf diese Weise eine historische Tiefenschärfe, die uns heute daran erinnert, dass, frei nach einem Churchill-Zitat, Minderheitenregionen auch stets ein „Zuviel“ an Geschichte produzieren können, um diese angemessen zu verarbeiten.

 

 

Als Grundübel seiner Zeit benannte Stephens den Nationalismus – und auch hier ist er in seinen Überlegungen erstaunlich nahe an unserer Gegenwart, die, die verheerenden Folgen dieser Ideologie nach zwei Weltkriegen im Blick, einen Wissensvorsprung innehat. Der Nationalismus, so Stephens, halte den Kontinent wie „veraltete Ketten“ gefangen und verhindere, dass in Minderheitenfragen endlich Vernunft, Mäßigung und Pragmatismus Einzug fänden. Einerseits verleite der „Irredentismus nach italienischem Vorbild“ Minderheiten dazu, die Hoffnung auf Selbstverwaltung in den Wind zu schlagen und fieberhaft auf einen Krieg hinzuarbeiten, der die Grenzen verändern und die Unerlösten mit ihrer Nation vereinen solle. Mehrheiten verwendeten andererseits gerade das Argument, der Irredentismus der Minderheiten sei bedrohlich und staatszersetzend, um Minderheitenrechte zu verweigern oder den in Genf zugesicherten „Worten [keine] Taten folgen zu lassen“.

Diese beiden Extreme wiegelten sich gegenseitig auf und führten insbesondere in den Grenzgebieten, den Danger Zones of Europe, zu erhöhter Kriegsgefahr. Stephens hält diesem Szenario die Idee eines grenzenlosen und befriedeten Europas entgegen, in dem die nationale Frage in den Hintergrund tritt und die „Minderheiten die allgemein anerkannte Rolle einnehmen werden, als Brücken zwischen einer Kultur und der anderen zu fungieren“. Wie aktuell diese Idealvorstellung im heutigen Europa der wieder aufkeimenden Nationalismen und neuen Konflikte in und um Minderheitengebiete noch ist, zeigt sich schon daran, dass diese positive Funktion von Minderheiten allzu selten zur gelebten Praxis geworden ist.

Stephens’ geistiger Grand Tour durch Europa lässt sich daher einiges entnehmen: Sie führt die eigen-tümliche sozialpolitische Dialektik von Mehrheit und Minderheit vor Augen. Diese reicht von der Behandlung „eigener“, nationaler Minderheiten im Ausland bis zum Umgang mit „fremden“ Minderheiten im „Mutterstaat“ und mündet schließlich in die Hoffnung auf Gegenseitigkeit gewährter Minderheitenrechte und die Absage an gewaltbereiten Separatismus  positiv gewendet verheißt dieses Programm Autonomie und echte Selbstverwaltung als Kernelemente des europäischen Friedensprojekts. Um hier ein bekanntes Bild von Paul Klee aufzugreifen, das im Januar 1929, also in etwa gleichzeitig zu Stephens’ Veröffentlichung, entstanden ist: Das Schlüsselwerk Hauptweg und Nebenwege, entstanden nach seiner zweiten Ägyptenreise, lässt sich zwar nicht eng ausdeuten, doch es zeigt auf berückende Weise eine Abfolge unterschiedlich konturierter Pfade, die mit ihren vertikalen und schrägen Strukturen auch auf den historischen Prozess bezogen werden könnten, aus dem heraus die Zeitgenossen Klee und Stephens ihre bildlichen und intellektuellen Reflexionen entworfen haben.

 

 

 

Manche Entwicklungswege sind verschlungen, aber wenn niemand sie beschreitet, ist auch das Rätsel der Geschichte nicht zu lösen. Zu guter Letzt eine editorische Notiz und eine Danksagung: Die kongeniale Übersetzung von Maria Kampp hat den beinahe 100 Jahre alten englischsprachigen Text behutsam in ein zeitgemäßes Deutsch übersetzt. Die Kommentare in der Übersetzung seitens der Herausgeber beziehen sich auf grundlegende biografische Informationen und auf Ereignisse und Fakten, die den Zeit-genossen Stephens’ geläufig waren, heute aber weniger bekannt sind. Dem Verlag Alphabeta, nunmehr Teil der Edition Raetia, danken wir für die Aufnahme der Publikation in sein Programm, Helene Dorner für ihr umsichtiges Lektorat. Zu großem Dank sind wir schließlich dem Forschungszentrum Eurac Research verpflichtet, an dem wir wirken dürfen und wo wir das Stephens- Projekt innerhalb eines kongenialen Wissenschaftsumfelds verwirklichen konnten.