Rut Bernardi (Foto Alex Filz)

Un saggio comparativo della scrittrice e studiosa Rut Bernardi sui “passaggi retoromani” nella letteratura ladina dei Grigioni, delle valli dolomitiche e del Friuli.

 

 

 

Autrice: Rut Bernardi

Rif. bibl.: Bernardi, Rut, Rätoromanische Übergänge in der Literatur. In: «Annalas da la Societad Retorumantscha» 129 (2016), pp. 153-177.

 

 

Rätoromanische Übergänge in der Literatur

Rut Bernardi

 

 

Chara lingua da la mamma,                                        Bel lingaz dla uma cara,

Tü sonor rumantsch ladin,                                           Tan bun sona nosc ladin!

Tü favella dutscha, lamma,                                          Ci ligrëza sënti ’mpara,

O co t’am eu sainza fin!                                                Sciöch’i l’ami zënza fin!

In teis suns, cur eir’in chüna                                       To bun sonn canch’i ê te cöna

M’ha la mamma charezzà,                                           Mia uma m’insignâ tan fin,

E chanzuns da l’Engiadina                                         M’à fat gnì la buna löna

In l’uraglia m’ha chantà. (1)                                      Cun so bel ciantè ladin (2)

 

Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes Engadiner Kulturinstitutionen unter dem Motto TRANSIT hatte die Autorin dieses Artikels am 17. September 2015 in Samedan die Gelegenheit, gemeinsam mit der Enneberger Musikerin Angela Palfrader (3) vor einem äußerst interessierten und kompetenten Publikum Ähnlichkeiten, Parallelen und Unterschiede zwischen der bündnerromanischen und der dolomitenladinischen Literatur – gegebenenfalls auch der friaulischen Literatur – aufzuzeigen.

Die Grundlage dieser Zusammenschau bildet die im Herbst 2013 an der Freien Universität Bozen erschienene Geschichte der ladinischen Literatur. Ein bio-bibliografisches Autorenkompendium von den Anfängen des ladinischen Schrifttums bis zum Literaturschaffen des frühen 21. Jahrhunderts von Rut Bernardi und Paul Videsott. (4) Die drei rätoromanischen Inseln Graubünden (5), Ladinien und Friaul (6) werden durch Bergketten der Alpen getrennt. Über die Berge führen aber auch Pässe und Jochwege, die die einzelnen Täler verbinden.

 

 

Der geheime Beginn der rätoromanischen Literatur

 

Einige höchst interessante verbindende literarische Elemente unserer drei rätoromanischen Literaturen haben sich aus vorchristlicher Zeit erhalten. Es handelt sich um mündlich überlieferte Sagen. Sie können als Ursprung unserer Literaturen – im Sinne Herders gewissermaßen als ‹die Stimme des Volkes› – definiert werden. Die lijendes sind inhaltlich das älteste Denkmal von literarischer Qualität, das die rätoromanischen Literaturen aufweisen können.

 

Dolomiten

In der Tradition der Brüder Grimm hat Karl Felix Wolff Anfang des 20. Jahrhunderts derartige Sagen gesammelt und ziemlich frei umgesetzt. Obwohl die Ladiner heute ihre eigenen Sagen nur mehr durch diese spätromantische, deutsche Umformung Wolffs kennen, müssen sie ihm dankbar sein; denn ohne seine Sammeltätigkeit wäre der Großteil dieser Tradition endgültig untergegangen. Die Dolomitensagen liefern den Ladinern – und darin liegt ihre eigentliche Bedeutsamkeit – ein Erklärungsmodell ‹von der Entstehung der Welt, vom Werden göttlicher Schöpfung und menschlicher Ordnung› und schließlich ‹von der Vergangenheit für die Jetztzeit› (Kindl 1997, 175).

 

Graubünden

Das Bündnerromanische ist diesbezüglich im Besitz einer literarischen Kostbarkeit. Unter den rund 2000 Volksliedern finden wir La canzun de Sontga Margriata (Das Lied der Heiligen Margarethe). Der erste Eindruck lässt auf ein religiöses Lied schließen, doch es stammt aus vorchristlicher Zeit und wurde im Lauf der Jahrhunderte verändert und angepasst. Cristianus Caminada vertritt die These, dass das St. Margaretha-Lied zwischen den Jahren 645 und 753 zum ersten Mal gesungen wurde. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht scheint das Lied erst im 14. Jahrhundert christianisiert worden zu sein, wobei diese Heilige Margarethe nichts mit der kirchlichen Heiligen zu tun hat. Es handelt sich laut Caminada vielmehr um eine rätische Fruchtbarkeitsgöttin; und so wie viele Salige Frauen in Tirol, wie die ganes und vivenes in den Dolomiten, habe auch sie sich auf eine Alm begeben, um einem Senner bei seiner Arbeit behilflich zu sein. 80 reimlose Verse von unterschiedlicher Länge erzählen, wie die Heilige Margarethe sieben Sommer lang auf der Alm als Hirt verkleidet verbringt. Das geht so lange gut, bis eines Tages das Tabu ihrer wahren Identität entlarvt wird und sie die Alm verlassen muss. Zurück bleiben Hunger und Not.

 

Erste hypothetische dolomitenladinische Schriftzeugnisse

 

Herkunftsmäßig hätte Oswald von Wolkenstein der erste dolomitenladinische Autor sein können, doch er schrieb seine Texte in mittelhochdeutscher Sprache.

Einige seiner Lieder enthalten auch Wörter der dazumal gesprochenen romanischen Sprachvarianten von Galizien, Kastilien, Katalonien, Frankreich, Okzitanien und der unterschiedlichsten romanischen Varianten Oberitaliens. Heinrich Kuen (1979) vertritt die These, dass sich unter den romanischen Varianten auch ladinische Ausdrücke verbergen, was angesichts Wolkensteins Biographie – er verbrachte als Kind die Sommermonate in Gröden – nicht verwunderlich ist.

Die Reformation, die für erste längere Texte auf Bündnerromanisch verantwortlich war, hatte auf die katholisch verbliebenen Dolomitentäler keinen Einfluss. Man kann sogar davon ausgehen, dass gerade die Angst vor der Ausbreitung des Protestantismus mittels des Ladinischen, wie sie uns aus dem oberen Vinschgau bezeugt ist und dort schließlich zur endgültigen Germanisierung dieser Talschaft geführt hat, die geistliche und weltliche Obrigkeit damals veranlasst hat, ein ladinisches religiöses Schrifttum möglichst nicht aufkommen zu lassen. In Tirol hatte der Bündner Jörg Cajacob, genannt Jörg Blaurock, der als vehementer Anhänger der Reformation in Gufidaun wirkte und 1529 in Klausen als Ketzer auf dem Scheiterhaufen den Tod fand, großen Anklang gefunden. (7) Hätte der gebürtiger Rätoromane Cajacob nicht diesen frühen Tod erlitten und hätte er für längere Zeit in Südtirol wirken können, wäre es naheliegend gewesen, dass er in Gufidaun, dem Sitz des Hochgerichts von Gröden, liturgische Texte ins Ladinische übersetzt hätte.

 

 

Die Anfänge der Verschriftlichung und der Beginn der Rätoromanischen Literatur

 

Innerhalb der heutigen rätoromanischen Sprachinseln entwickelten sich die Literaturen sehr unterschiedlich.

 

Friaul

Die ersten Texte des bereits von Dante in seinem Traktat De vulgari eloquentia erwähnten Furlan/Friaulischen, stammen aus dem Ende des 13. Jh. und sind administrativer Natur. Aus dem nachfolgenden Jahrhundert sind bereits die ersten rein literarischen Texte überliefert: die zwei Balladen Piruç myo doç inculurit (1380; die Autorschaft des zwischen 1365 und 1430 in Cividât/Cividale tätigen Notars Antonio Porenzoni ist umstritten) und Biello dumlo di valor (1416; die Autorschaft des Notars Simon Victoris da Feltro ist ebenfalls umstritten). Die ersten namentlich bekannten Dichter sind der Geistliche Nicolò da Cereseto (erstes Gedicht 1431) und Nicolò de Portis, ein Arzt aus Cividât/Cividale (1413–nach 1484). In der Gegenreformation findet ein genereller Aufschwung des Friaulischen statt, u. a. daran erkennbar, dass mit Giuseppe Strassoldo (1520–1597) auch die Aristokratie beginnt, Literatur auf Furlan zu schreiben.

Doch das große Jahrhundert der friaulischen Literatur ist das 17. mit dem herausragenden Autor Graf Ermis di Colorêt/Ermes di Colloredo (1622– 1692). Er schreibt zwar in den klassischen Formen seiner Zeit, doch er befreit sich von den barocken Zwängen; seine Liebesgedichte atmen eine gesunde Sensualität und bringen eine erstaunliche Frische in die Sprache. Ermis di Colorêt gilt als der Erneuerer der friaulischen Lyrik. Seine Literatursprache wirkte auf ganze Dichtergenerationen nach und wurde im 19. Jahrhundert insbesondere durch das Werk von Pietro Zorutti (1792–1867) als friaulische Koine verbindlich. (vgl. Verone 2000, 50–80; 186–193).

 

Graubünden

In Romanischbünden sind Anfänge einer Verschriftung sogar schon aus dem 11. und 12. Jahrhundert zu finden. Bei diesen ersten Dokumenten auf Romanisch handelt es sich um interlineare Aufzeichnungen aus dem Kloster Einsiedeln.

Als erster literarischer Text auf Rumantsch kann das 704 Verse lange Epos Chianzun dalla guerra dagl Chiaste da Müs (Lied des Krieges um das Schloss Müss) auf Ladin Puter aus dem Jahre 1527 des Oberengadiners Gian Travers angesehen werden.

Gian Travers wurde 1483 in Zuoz geboren. Mit acht Jahren verließ er seine Heimat und kehrte nach abgeschlossener Ausbildung in Deutschland wieder ins Oberengadin zurück, wo er als angesehener Mann zahlreiche Ämter übernahm. Als Unterhändler einer Bündner Gesandtschaft geriet er aber im Jahr 1525 bei der Rückkehr aus Mailand in Gefangenschaft und wurde im Schloss Musso am Comer See festgehalten. Erst ein Jahr später kam er gegen ein hohes Lösegeld wieder frei. Im Bergell kursierte inzwischen ein Spottlied auf Bregagliot über die gefangenen Gesandten, was Travers 1527 dazu veranlasste, seinerseits zur Selbstverteidigung das politische Gegenlied Chianzun dalla guerra dagl Chiaste da Müs zu verfassen.

Die ersten gedruckten Bücher auf Ladinisch waren Bibelüberset zungen ins Ladin Puter des Oberengadins im Jahre 1560 von Jachiam Bifrun und Übersetzungen von Psalmen ins Ladin Vallader des Unterengadiners Durich Chiampel. Diese Texte waren der Beginn einer bedeutenden religiösen Literatur auf Bündnerromanisch, die auch den Wettstreit zwischen dem zum Protestantismus bekehrten Engadin und der katholisch verbliebenen Surselva widerspiegelt. Die frühen Bibelübersetzungen ebneten im Bündnerromanischen auch anderen Genres recht früh den Weg, etwa Reiseberichten und medizinischen Abhandlungen für Mensch und Tier. Von schöngeistiger Literatur kann man erst ab dem 18. Jahrhundert sprechen. Es wurden Abenteuerromane und Erzählungen auf Romanisch verfasst. Durch Pater Placi a Spescha verbreiteten sich die neuen Ideen der Aufklärung, was zu einem erwachenden Selbstbewusstsein der Rätoromanen führte und in der Literatur seinen Niederschlag fand (vgl. Bernardi/ Videsott 2013, 35–38).

 

Dolomiten

Die Dolomitentäler, genauso wie Romanischbünden, sind in literarischer Hinsicht nur schwer mit dem Friaul vergleichbar. Die geringere Zahl an Muttersprachlern, die gebirgige Landschaft und das Fehlen eines kulturellen Zentrums, haben eine literarische Entwicklung keineswegs gefördert. Vor der Epoche der Aufklärung kann das Dolomitenladinische nur drei Dokumente aufweisen. Es handelt sich um cridati, Proklamationen, die auf den Dorfplätzen durch einen Vertreter der Obrigkeit ausgerufen wurden; sie stammen aus dem Umfeld der Kanzlei des Brixner Fürstbischofs, der damals auch unmittelbarer Landesherr der drei ladinischen Gerichte Tor/Thurn an der Gader, Fascia/Evas und Fodom/Buchenstein war.

Bereits der erste zusammenhängende ladinische Text aus dem Jahre 1631 ist in einer Art überlokaler Schriftsprache verfasst (Gadertalisch­ Buchensteinisch): das Proclama per la sagra di s. Zuane d’Anno 1631, anlässlich des Kirchweihfestes bzw. des Marktes von San Jan (Hl. Johannes Baptist), dem zweiten Kirchenpatron von San Martin de Tor / St. Martin in Thurn (vgl. Ghetta/Plangg 1987). Der Text umfasst 35 Zeilen und wurde vom Pfleger des Gerichts Thurn Anton Söll verfasst.

Das zweite Proclama wurde am 12. Oktober 1632 in Bornech/Bruneck vom Sekretär Jakob Reuperger verfasst und liegt in italienischer und ladinischer Fassung vor. Dieser Erlass (vgl. Plangg 1985, 91–58) aus dem Dreißigjährigen Krieg mit der Bitte des Fürstbischofs Wilhelm von Welsberg an seine Untertanen in den Gerichtsbezirken Fassa, Vinaulonch (Buchenstein) und Torre del Gader (Thurn an der Gader) um eine Contribution (Abgabe) ist länger und aussagekräftiger als der Erlass von 1631 (vgl. Plangg 1989, 259). Sprachlich ist er ebenso überlokal, jedoch scheint hier die Basis eindeutiger Buchensteinisch zu sein (Kattenbusch 1994, 239).

Das Proclama für den Jahrmarkt in San Martin de Tor / St. Martin in Thurn stammt aus den ersten Jahren der Regierungszeit des Brixner Fürstbischofs Kaspar Ignaz von Künigl (1703–1747). An die bischöflichen Untertanen des Gerichtes Thurn an der Gader gerichtet, erinnert dieser statutenartige, 37 Zeilen lange Text stark an jenen von 1631, ist aber genauer und ausführlicher (vgl. Ghetta/Plangg 1987, 289).

Noch bevor erste literarische Texte auf Dolomitenladinisch ent standen, verfasste ein Grödner Landrichter die erste ladinische Grammatik, die 2009 dank eines Zufalls, an der Universitätsbibliothek Krakau aufgefunden wurde. (8) Die erste grammatikalische Beschreibung des Grödnerischen: Versuch zu einer Grammatik der Grödner Mundart / Per na Gramatica döl Lading de Gerdöna von Josef David Insam stammt aus der Zeit um 1806 (vgl. Videsott 2013, 51). Josef David Insam wurde 1744 in Sëlva/Wolkenstein geboren. Ab 1780 war er Landrichter in Gufidaun und behielt diese Stellung sowohl unter der bayerischen als auch unter der 1813 wieder instaurierten österreichischen Verwaltung bis 1819. Er starb 1826 in Griesbruck bei Klausen (vgl. Granichstaedten­Czerva 1962, 262).

Die ersten rein literarischen Texte stammen aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts. Es sind Anekdoten und Gedichte des Organisten Matie Ploner (1770 Urtijëi / St. Ulrich – 1845 Persenon/Brixen) aus Gröden. Die bekanntesten Gedichte Ploners sind La Vedla Muta (Die alte Jungfer, um 1806) und L Vedl Mut (Der alte Junggeselle, 1828). Diese Gedichte wurden von keinem Geringeren als Johann Baptist Gänsbacher, seinerzeit Domkapellmeister in Wien, vertont. 1805 verfasste der Buchensteiner Jan Francësch Pezzei (1765–1819) ein Gedicht auf Buchensteinisch und 1819, als Seelsorger in La Val / Wengen im Gadertal, sechs Schulschlussgedichte auf Gadertalisch. Der erste Text auf Fassanisch wurde 1812 vom Domherrn Giovanni Battista Giuliani (1766–1844) in Prosa geschrieben. Als Beginn der ampezzanischen Literatur kann eine lustige Satire von Joani Gregorio Demenego (1821­1867) aus dem Jahr 1844 angesetzt werden.

Die auf Dolomitenladinisch verfassten literarischen Texte nehmen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zwar rapide zu, doch handelt es sich zum größten Teil um Gelegenheitsdichtung, die v. a. mit dem kirchlichen Leben der Bevölkerung zusammenhängt (z. B. Primiz­ und Sekundizgedichte) und weitgehend moralisch­erzieherische Ziele verfolgt.

 

 

Die klassische Zeit der rätoromanischen Literatur

Giachen Caspar Muoth vs. Jan Batista Alton

 

Für einen Vergleich der dolomitenladinischen mit der bündnerromanischen Literatur können wir in diesem Rahmen nur eine kleine Auswahl an repräsentativen Autoren vorstellen. Der Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert ist durch das Aufblühen des rätoromanisch­ladinischen Selbstbewusstseins und durch eine stärkere Wertschätzung der eigenen Muttersprache gekennzeichnet. Als herausragende Vertreter dieses erwachenden Selbstbewusstseins können der Surselver Autor Giachen Caspar Muoth (1844 Breil/Brigels–1906 Cuera/Chur) und der Gadertaler Autor Jan Batista Alton (1845 Calfosch/Kolfuschg–1900 Rurëi/Rovereto) bezeichnet werden.

 

Giachen Caspar Muoth

Mit Giachen Caspar Muoth erreichte die rätoromanische Literatur in Graubünden einen ersten Höhepunkt. Muoth war ein Sprachmeister. Er schuf Epen, Balladen und Idyllen auf Sursilvan. Geboren wurde er 1844 in Breil/Brigels in der Surselva / Bündner Oberland. Er besuchte die Klosterschule von Mustér/Disentis. Was ihn interessierte, war eine eigenständige nationale Literatur. Er studierte an der Universität in München Sprachen, Geschichte und Philosophie, und noch vor seinem Studienabschluss nahm er eine Stelle als Geschichts­ und Lateinlehrer an der Kantons schule in Chur an. Auf Anregung des Kulturhistorikers Heinrich Wilhelm Riehl geht der erste große Wurf Muoths zurück: Las spatlunzas (Die Flachsschwingerinnen, 1872). In diesem Text wird in 162 Hexametern in der Manier der Idyllen des Johann Heinrich Voss altes Brauchtum thematisiert. Die Spatlunzas fanden in der romanischen und deutschen Presse einhelliges Lob, was dazu führte, dass der Bündner Große Rat späterhin den Autor mit der Abfassung einer Bündner Geschichte beauftragte. Doch bald darauf erkrankte er und verstarb 1906 in Chur.

Das literarische Werk Muoths ist beachtlich und vielfältig, doch auffallend ist sein nie verstummender Aufruf an das romanische Volk, nicht mit der Sprache die eigene Identität aufzugeben; ein Ausschnitt aus dem bekannten vierstrophigen Gedicht Al pievel romontsch (Dem romanischen Volke) kann als Beleg hierfür dienen.

 

1. Strophe

Al pievel romontsch                          Dem romanischen Volke

Stai si, defenda,                                 Steh auf, verteidige,

Romontsch, tiu vegl lungatg,             Romane, deine alte Sprache,

Risguard pretenda                             Rücksicht erheische

Per tiu patratg!                                  Für dein Denken!

Dedesta tut cun tun sonor                  Erwecke es mit frohem Lied,

Dil frontsch romontsch                       Herzhaft gesungen

cantau da cor!                                     in freiem Romanisch.

Quel tuna ferm e suna clar                 Es klingt so gut, es tönt so klar

E cuora senza balbegiar,                     Und fließet ohne Stottern gar,

Gie, cuora senza balbegiar,                 Ja, fließet ohne Stolpern,

Essend artaus dal best matern            Ererbt aus liebem

schi car.                                               Mutterschoß.

 

Jan Batista Alton

‹Als gigant dla leteratüra ladina (Riese der ladinischen Literatur) pflügte der Sprachwissenschaftler Jan Batista Alton zuerst als Linguist das Feld der ladinischen Sprache, bevor er es als herausragender Epiker in einen blühenden Garten verwandelte›: ‹L’Alton é ste l prüm linguist, ch’à arè l ćiamp dl’idi om ladin denant che l trasformè te n’urt florì› (Castlunger/Pizzinini/ Zingerle 1970, 32).

Geboren wurde Jan Batista Alton 1845 in Calfosch/Kolfuschg im Gadertal. Er besuchte das Gymnasium der Augustiner in Brixen und wechselte etwas später auf das Gymnasium nach Trient. 1864 ging er nach Innsbruck, wo er sich an der Universität für Klassische Philologie und Französisch einschrieb. Anschließend war er Lehrer in Trient, Prag und Wien, wo er sich erneut an der Universität immatrikulierte und Romanistik studierte. Im Jahr 1885 habilitierte er sich in Wien und wirkte an der dortigen Universität als Privatdozent. 1899, nachdem sich seine Berufung auf den neu geschaffenen romanistischen Lehrstuhl in Innsbruck zerschlagen hatte, übernahm er die Direktion des k. u. k. Gymnasiums in Rovereto. Aber bereits wenige Monate später, am 4. April 1900, fiel er dort einem Mordanschlag seines Landsmannes Florian Großrubatscher aus La Ila/ Stern zum Opfer (vgl. Bernardi/Videsott 2013, 295–296).

Jan Batista Alton war der erste Ladiner, der seine Muttersprache auf universitärem Niveau nach den Paradigmen der wissenschaftlichen Romanistik erforscht hat. Gleichzeitig wollte er mit seinen Texten das Ladinische zur Schriftsprache erheben. 1879 erscheint Altons erstes Buch Die ladinischen Idiome in Ladinien, Gröden, Fassa, Buchenstein, Ampezzo. Mit der Sam mlung der Proverbi, tradizioni ed anneddoti [sic!] legt Alton im Jahr 1881 ein Werk vor, das die Denkweise und den noch vorhandenen autochthonen religiösen Kult der Ladiner und deren typische Sagenfiguren auf epische Weise thematisiert. In den Rimes ladines in pert con traduzion taliana (Ladinische Reime, zum Teil mit italienischer Übersetzung) von 1885 finden wir 21 Gedichte z. T. von erheblicher Länge und 7 sogenannte Freie Versionen.

In den Gedichten Altons spürt man seine starke Heimatverbundenheit, seine Liebe und seinen Respekt für die Natur, die Berge, die Tiere, die Bräuche, die Geschichte seines Heimattales und nicht zuletzt für seine Muttersprache. Die Gedichte Altons können wir als prosodisch geformte Kompositionen voll erzählerischer Kraft definieren.

Neben all den epischen Parallelen zur Dichtung Muoths stechen bei Alton ebenfalls die Ermahnungen an das ladinische Volk hervor. Der ersten Strophe des Gedichtes Al pievel romontsch von Muoth können wir zwei Strophen des Gedichtes Ai Ladins (An die Ladiner) von Alton gegenüberstellen, in denen gleichfalls die Befürchtung geäußert wird, dass der Schatz der Muttersprache, aus Unachtsamkeit seitens der Ladiner selbst, verloren gehen könne.

 

Ai Ladins                                                           An die Ladiner

1.

Oh, pròš Ladins, d’óš bèl lingaz tignidě cont!   Oh, brave Ladiner, haltet eure schöne

                                                                            Sprache in Ehren!

Tignidě cont plů kě podès del tešór,                   Wahrt diesen Schatz so gut ihr könnt,

K’è plů preziůs dě troep kě důt l lůc da            Der viel wertvoller ist als der ganze Hof

Sompont,                                                           Sompunt,

Chi plů kě kël kě rëgna l mon, argënt e ór!       Auch mehr als das, was die Welt

                                                                           beherrscht, Silber und Gold!

[…]

5. 

Paziënt’ Ladins, l lingaz ladin, d’onòr gran     Geduldige Ladiner, die ladinische

dëgn,                                                                   Sprache, aller Ehre wert,

Dan dal důt insignèdě a ůš pici mitons!           Vor allem lehrt eure kleinen Kinder!

Dě tegni cont dě nóš lingaz tòkela şëgn             Jetzt heißt es, unsere Sprache zu achten

E dě sě stravardé dai gran’ chiacolons.            Und uns vor den großen Schwätzern zu

                                                                            schützen.

 

 

Angelo Trebo vs. Peider Lansel

 

Für einen Autorenvergleich mehr lyrischer und weniger epischer Art stellen wir Angelo (Agno) Trebo (1862 La Pli / Enneberg Pfarre–1888 San Martin de Tor / St. Martin in Thurn) dem Unterengadiner Peider Lansel (1863 Pisa– 1943 Sent) gegenüber.

 

Angelo Trebo

Für die dolomitenladinische Literatur erübrigt sich die Abgrenzung einer etwaigen Epoche der Klassik; die wenigen literarischen Texte aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lassen sich weitgehend als spätromantische Versuche charakterisieren. Hauptvertreter der dolomitenladinischen Dichter einer solchen verspäteten Romantik ist Agno Trebo. Er wurde 1862 La Pli de Mareo / Enneberg Pfarre geboren. Seine Eltern starben sehr früh, und Trebo litt sehr darunter, wie auch an Heimweh, als er zunächst in Brixen und dann in Bozen die k. k. Lehrerbildungsanstalt besuchte. Mit 26 Jahren, kurz vor dem Ende seines Studiums und dem Eintritt ins Berufsleben, starb er am 23. August 1888 in San Martin de Tor / St. Martin in Thurn an einer chronischen Lungenkrankheit.

Trotz des frühen Todes war man sich der Qualität seiner Werke von Anfang an bewusst. Überliefert sind 27 Gedichte und zwei Theaterstücke bzw. Operetes: Le ciastel dles Stries (Das Hexenschloss, 1884) und Le scioz da San Jênn (Der Schatz des Heiligen Johannes, 1885). Hinzu kommt noch das verschollene Theaterfragment Trëi dis regina (Drei Tage Königin). Außerdem sind noch fünf Briefe, die er seinem Jugendfreund Jepele Frontull geschrieben hat, erhalten geblieben. Derselbe Frontull, Komponist und Organist, hat auch die zwei Operetes Trebos vertont, die am 27. und am 31. Dezember 1884 in Biëi, am Heimathof Trebos, aufgeführt wurden.

Trebos Absicht war es, die ladinische Volkslyrik auf eine höhere Ebene zu heben. Die Gedichte Trebos sind keine Gelegenheits­ oder Zufalls gedichte mehr. Sie sind durchtränkt mit romantischen Themen, wie Liebe, Natur, Heimweh, Einsamkeit, Trennung, Liebesschmerz, Schicksalsschläge, Hoffnung und Tod. Sie enthalten eine starke psychologische Individualisierung, wie sie die ladinische Literatur bisher noch nicht kannte (vgl. Bernardi/Videsott 2013, 279–283). ‹Eines der schönsten ladinischen Gedichte, weit ab von allem Pathos und in bester romantischer Tradition, die hier in den Bergen noch spät nachklingt› (Plangg 1994, 258), ist das Gedicht Ala net (An die Nacht), das uns an Novalis’ Hymnen an die Nacht erinnert.

 

Ala net                                          An die Nacht

Net tan dejidrada, vi!                   Komm, du lang ersehnte Nacht!

Vi, o regno scür dai semi!             Komm, oh dunkles Reich der Träume!

Vi con töa pêsc dal ci!                   Komm mit deiner Himmelsruh!

Tèmo sö te tü bi gremi!                  Nimm mich auf in deinem schönen Schoß!

Stopa con to velo grisc                    Bedecke mit deinem grauen Schleier

ć chisc gragn tormonć dla vita!  all die großen Lebensqualen!

Pôrtemo t’en bel paîsc,                   Führe mich in ein schönes Land,

co ligrëzes inće pîta!                       das auch Freuden bietet!

Döt le bel spo ôi somié;                   Träumen will ich dann nur Schönes;

da zacan spo les ligrëzes                 Freuden längst vergangener Tage

dötes ôi alerch cherdé,                     wieder wach vor Augen rufen,

desmonćé m’ôi les tristëzes.            und vergessen alles Leid.

 

Peider Lansel

Peider Lansel wurde 1863 in Pisa geboren, da seine Engadiner Eltern, wie damals viele Ladiner, in Italien ein Gewerbe ausübten. Es waren dies die Engadiner randulins, die Schwalben. Mit 16 Jahren trat er vorerst eine Lehrstelle an, doch bald überließ er die Geschäfte des Vaters seinen Brüdern und Vettern. Der Schmerz der unerwiderten Liebe zu Ida Mosca, der Schwester eines Freundes, ließ Peider Lansel zum Dichter werden. Er hinterließ 16 Liebesgedichte für Ida, die jedoch erst 1966 veröffentlicht wurden. 1891 heiratete Peider Lansel Emma Curdin, und zwei Jahre später zog er mit seiner jungen Familie nach Sent, wo er Gelegenheit fand, sich als ‹Weltmann und Bergler in einem› dem kulturellen Erbe und der Rettung seiner ladinischen Sprache zu widmen. 1892 erschienen seine ersten Gedichte: Primulas (Schlüsselblumen), gefolgt 1912 von La cullana d’ambras (Bernsteinkette). 1929 fasste er alle Gedichte, teilweise stark umgearbeitet, noch einmal zusammen und edierte sie mit einer Anzahl neuer Gedichte unter dem Titel Il vegl chalamêr (Das alte Tintenfass). Lansel starb 1943 in Sent.

Zwischen den Gedichten Ala net (An die Nacht) von Angelo Trebo und A la not (An die Nacht) von Peider Lansel (vgl. Lansel 1966, 322), einer freien Übertragung des Gedichtes Nachtgesang (1812) der deutschen Lyrikerin Wilhelmine Christiane de Chézy (1783 Berlin–1856 Genf) in das Vallader, finden sich eindeutige Parallelen und eine Häufung von motivischen Querverbindungen in typisch spätromantischer Manier.

 

A la not                                               An die Nacht

Not, o not, o soncha not!                     Nacht, oh Nacht, oh heilige Nacht!

Suot ti’ala sumbrivainta                     Unter deinem Schattenflügel

il fracasch dal di s’taschainta;             schweigt der Tageslärm;

a tuots stanguels portast tü                   allen Müden bringst du

quaida pasch da sü casü.                      süßen Frieden von dort oben.

Cun la sön dast l’invlidanza,               Mit dem Schlaf schenkst das Vergessen,

terdschast larmas, rendast spranza;     trocknest Tränen, gibst wieder Hoffnung;

rasast sur tuot led e mal                        legst über all die Trauer und Schmerzen

sömmis sco riaint sindal.                     Träume wie einen lachenden Schleier.

Ch’our dal di e sa cumbatta                  Dass ich fern vom Tag und seinem Kampf

suot tas alas pos eu chatta,                    unter deinen Flügeln Ruhe finde,

not bandusa, vè a’m dar                        sanfte Nacht, komm und schenk mir

sömmis per tuot invlidar!                      Träume, um alles zu vergessen!

 

 

Brückenautor

Als Brückenautor zwischen den Dolomiten und Romanischbünden im ausgehenden 19. Jahrhundert kann der Grödner Anton Perathoner, der von 1881 bis 1884 in Mustér/Disentis lebte, angeführt werden. Anton (Pater Vigil) Perathoner wurde 1839 in Burnech/Bruneck als Sohn des Steuerbeamten Ulrich aus Urtijëi / St. Ulrich in Gröden und dessen Ehefrau Theresia Huber geboren. Er trat 1857 in das Benediktinerstift Muri­Gries bei Bozen ein und wurde 1862 in Trient zum Priester geweiht. Von 1864 bis 1870 war er Professor in Sarnen (Kanton Obwalden/Schweiz); 1881 kam er nach Mustér/Disentis in die bündnerromanische Surselva. Bereits nach einem Monat war er in der Lage, in der dortigen Stiftskirche im einheimischen Sursilvan zu predigen. Nach drei Jahren kehrte er nach Gries bei Bozen zurück, wo er am 25. November 1904 starb (vgl. Benedictiner­Professen in Gries, 64).

Im Archiv des Klosters Muri­Gries bei Bozen (9) befinden sich mehrere Predigtkonzepte, die folgende surselvische Titel tragen:

           Gliendischdis de Pastgas per la messa nuviala ([Predigt] für eine Primizfeier am Ostermontag),

           Stueva Christus buc endirar quei, ed aschia ir en sia gloria Luc. 24,26 (Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Lk. 24,26),

           Crusch e bandiera dil Sacerdot (Kreuz und Fahne des Priesters: längerer Vortragstext, den Pater Vigil in Senale, dem Marien­Wallfahrtsort Unsere Liebe Frau im Walde, verfasste. Mit Notizen zur Wortwahl).

Pater Vigil war nicht nur theologisch, sondern auch sprachlich interessiert. Davon zeugen folgende Manuskripthefte, die ebenfalls auf Surselvisch geschrieben sind:

           Nominaziuns de diversas localitats…: zwei Blätter mit [surselvischen] Toponymen und den dazugehörigen etymologischen Erklärungen, Blatt 1: Namen von Ackerfeldern und Wiesen, von Uclauns (Gehöften) und von Alps (Almen); Blatt 2: Namen von Uauls (Wäldern),

           Ramontsch della Ca-Di (97­seitige Grammatik über das Romanische der Cadi, der Gegend um Mustér/Disentis),

           Logoplasia (Wörtergestaltung oder Wortbildung),

           Rimas (Reime – es werden Reimmöglichkeiten aufgeführt),

           Sammlung deutscher Redensarten, wie sie auf Romanisch gegeben werden. (Alpha betische Liste A–Z).

Die Manuskripte von Pater Vigil enthalten auch Übersetzungen von Kirchenliedern ins Surselvische und surselvische Gelegenheitsreime (Geburtstags­ und Namenstagsgedichte, Schulschlussgedichte und Texte für besondere Anlässe).

 

 

Rätoromanische Autorinnen

 

Graubünden

Aus der Zeit von 1550 bis 1850 kann eine einzige und erste bündnerromanische Schriftstellerin genannt werden: Mengia Wielanda­Bisaz (1713–1781), Verfasserin der Ovretta musicala, einer Sammlung von geistlichen Liedern. Das Werk wurde 1749 in Scuol gedruckt. Im 19. Jahrhundert gab es schon mehrere Frauen, die auch in der Öffentlichkeit präsent waren. Clementina Gilly (1858–1942) veröffentlichte unter dem Pseudonym Clio zahlreiche Gedichte, Romane und Novellen auf Puter. Weitere bündnerromanische Autorinnen, die zwischen 1850 und 1900 geboren sind, stammen ausnahmslos aus dem Engadin; 14 romanisch schreibende Frauen aus dieser Zeit – offensichtlich durchwegs aus gut situierter sozialer Herkunft – sind namentlich bekannt. Zu Beginn des 20. Jahrhundert hat Romanischbünden schon eine ganze Reihe literarisch engagierter Frauen aufzuweisen.

 

Dolomiten

Im Dolomitengebiet präsentieren sich demgegenüber schreibende Frauen erst mit einiger zeitlicher Verzögerung.

Im Zusammenhang mit der Erhebung von Dialektvarianten der Parabel vom Verlorenen Sohn im Jahrzehnt zwischen 1840–1850, seitens des Tren tiners Francesco Lunelli (1792–1874), stoßen wir erstmals auf die Nennung einer Ladinerin, die im Bereich ladinisch­sprachlicher Belange tätig geworden ist. Es handelt sich um die Buchensteinerin Marghi Deberto aus Ornela. Als Studentin oder bereits Lehrerin in Trient hat sie sich offensichtlich an der Übersetzung der biblischen Parabel ins Buchensteinische beteiligt und ist im erhaltenen Dokument neben Giacomo Deberto und Isepp Costa als Erstunterzeichnerin namentlich angeführt.

Filomena Prinoth Moroder (1860­1920) aus Urtijëi / St. Ulrich in Gröden schrieb von 1894 bis 1920 an die 1000 Seiten Tagebuchaufzeichnungen auf Deutsch. (10) Sie thematisiert Alltagsdinge und behandelt nach der Methode der oral history das Leben der sogenannten kleinen Leute.

Aus dem Jahr 1900 stammt La Pasion i mort dë nosch Senieur Gesu-Cristo (11) (Leiden und Tod unseres Herrn Jesus Christus) von Rosalia Riffeser Com ploi (1883–1962) aus Sëlva/Wolkenstein in Gröden. Sie zeichnete den Text in einer Länge von 257 Versen, die gesungen wurden, in einem DIN­A6formatigen Heftchen auf.

Aus den 1920er­Jahren sind 3 originale Theaterstücke auf Ampezzanisch von Eligia Ghedina (1877–1931) aus Cortina/Cortina d’Ampezzo überliefert. Sie orientiert sich in ihren Stücken an historischen Fakten und bekannten Persönlichkeiten, die sie in fiktionaler Transposition in ihre Geschichten einflicht. Rund um diese Figuren konstruiert die Autorin ein komplexes literarisches Handlungskonstrukt über die Ereignisse ihrer Zeit.

Die Lehrerin Emma Dapunt (1889–1959) aus dem Gadertal schrieb in den 1920er­Jahren etliche Gelegenheitsgedichte; Teresa Lorenzi (1906– 1963) aus Cortina/Cortina d’Ampezzo verfasste in der Zeit der Kriegswirren politisch­satirische Gedichte.

 

 

Die klassische Moderne der rätoromanischen Literatur

 

1985 präsentiert Iso Camartin (Camartin 2 1987, 164) mit seiner Abhandlung Nichts als Worte? laut Untertitel ein Plädoyer für Kleinsprachen. Hierbei zieht er im Kontext einer poetologischen Standortbestimmung von Minderheitenliteraturen folgende vorsichtige Schlussfolgerung: ‹Man darf sich die Entwicklung von Kleinkulturen nicht nach dem Muster der Großkulturen denken, wenn man seine Enttäuschungen nicht bereits vorprogrammieren will›. Gilt es jedoch den mittlerweile erreichten Status der rätoromanischen Literatur zu bewerten, kann festgestellt werden, dass heutzutage einige ihrer Veröffentlichungen durchaus mit den Produktionen der europäischen Literatur­Avantgarde konkurrenzfähig geworden sind. Andererseits ist in vielen Fällen bemerkenswert, wie die zeitgenössische rätoromanische Literatur, trotz Globalisierung, zutiefst originell geblieben ist.

 

Graubünden

Die Literatur in Gaubünden bzw. im Engadin stand Anfang des 20. Jahrhunderts noch stark unter dem Einfluss der Generation der randulins. Die erweiterte Weltläufigkeit, die die zurückkehrenden randulins in ihren Emigrationsjahren erworben hatten, verlieh der rätoromanischen Literatur neue Kräfte, die in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg noch lange Zeit nachwirkten und dem literarischen Schaffen eine gewisse Kontinuität bis nach dem Zweiten Weltkrieg gewährten (vgl. Bernardi/Videsott 2013, 37).

 

Dolomiten

Demgegenüber erlitt die dolomitenladinische Literatur in den Kriegs­ und Zwischenkriegsjahren einen einschneidenden Rückschlag. Was sich in Ladinien bis dahin mit talschaftsübergreifendem Geist so vielversprechend angebahnt hatte, wurde vom Ersten Weltkrieg, dem Faschismus, der Wirtschaftskrise und schließlich von der Option (12) und dem Zweiten Weltkrieg wieder zunichte gemacht. Zwar kam es auch hier in den 1920erJahren nach dem Zusammenbruch der europaweiten Handelsbeziehungen, wie sie z. B. von den Grödner Schnitzern bis zum Ersten Weltkrieg ausgebaut worden waren, zu einer Rückkehr von Emigranten, trotzdem trugen diese im Gegensatz zu den randulins nicht dazu bei, einen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer literarischen Kontinuität zu leisten. Die wenigen literarischen Neuansätze, zu denen es in dieser schwierigen Zeit und in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen war, blieben lange Zeit unbeachtet. Erst in den 1960er und 1970er­Jahren erschienen erste Gedichtsammlungen von einzelnen Autoren.

Max Tosi (1913 Villanova Marchesana (Ro)–1988 Meran) war einer der ersten, der mit seinen literarischen Texten (13) den religiösen und folkloristischen Horizont überschritt. Tosi war Sohn einer Friaulerin, doch seine Lyrik, die er nahezu ausschließlich auf Grödnerisch schrieb, eröffnete der ladinischen Literatur einen neuen Weg.

 

 

Max Tosi (19131988) vs. Pier Paolo Pasolini (1922 Bologna1975 Ostia)

Hauptrepräsentant der friaulischen Moderne ist eine Persönlichkeit, die erstaunliche Ähnlichkeit mit Max Tosi aufweist. Belardi (1994, 189–191) spricht vom caso Pasolini und meint damit keinen Geringeren als Pier Paolo Pasolini (1922–1975).

Tosi und Pasolini hatten jeweils eine friaulische Mutter. Beide studierten romanische Philologie und Literatur und fühlten sich speziell von der fran zösischen Dichtung angezogen. Tosi und Pasolini verspürten beide das Bedürfnis, sich in der Lyrik von einer verbrauchten und steril gewordenen Literatursprache, dem Italienischen, zu befreien, um eine andere Ausdrucksform zu suchen, die noch rein, intakt und archaisch war. So machte Tosi das Grödner Ladinisch zu seiner Literatursprache und Pasolini schrieb zeitweise auf Friaulisch. Für Pasolini war der Gebrauch des Friaulischen nicht nur ein ästhetisches literarisches Mittel, sondern auch eine politische Reaktion. Die Veranlagung zur Homo sexuali tät hat Tosi, wie auch Pasolini, etliche Probleme bereitet. Sie haben zwar beide für die rätoromanische Literatur Maßstäbe gesetzt, doch im Gegensatz zur Academiuta de lenga furlana (Akademie der friaulischen Sprache) Pasolinis, hat Tosis Modell nicht, oder kaum, Schule gemacht (vgl. Bernardi/Videsott 2013, 557–558).

 

 

Cla Biert vs. Frida Piazza

Aus der klassischen Moderne der rätoromanischen Literatur wollen wir zunächst dem Engadiner Prosaautor Cla Biert (14) die Grödner Autorin Frida Piazza gegenüberstellen, deren Romane typische Merkmale des literarischen Schaffens in Minderheitenliteraturen aufweisen; bekanntlich tendieren Autoren weniger verbreiteter Sprachen dazu, selbstreferentiell ihre gefährdete Muttersprache und ihre Situation im Wandel der Generationen zu thematisieren.

 

Cla Biert

La müdada (Die Wende, 1962) von Cla Biert, einer der ersten rätoromanischen Romane im heutigen Sinne, kann als Schlüsselroman des 20. Jahrhundert angesehen werden. Es handelt sich um ein 380 Seiten starkes Werk, das sich wie ein Mosaik aus vielen anekdotenhaften Kleinabschnitten zusammensetzt. Geschildert wird das Leben des jungen Bauern Tumasch Tach im Wandel von der guten alten zur neuen modernen Zeit in einem alpinen Bergtal, in dem neumodische Dinge und Ideen die Lebensweise der Leute verändern.

Cla Biert wurde 1920 in Scuol im Unterengadin geboren und war Lehrer. Seine erste Veröffentlichung waren Kurzgeschichten im Jahre 1951. Die erst nach dem Tod des Verfassers erschienenen Geschichten Il descendent (Der Nachkomme) liegen mittlerweile auch in einer gadertalischen Übersetzung von Erna Flöss vor. Cla Biert, ein Meister romanischer Prosa, der in einer plastischen und oft symbolträchtigen Art das Leben des einfachen Unterengadiner Volkes einzufangen und darzustellen verstand, verstarb 1981 im Alter von 61 Jahren.

 

Frida Piazza

Frida Piazzas 22 Buchveröffentlichungen auf Grödnerisch reichen von Übersetzungen literarischer Werke aus der Weltliteratur über populärwissenschaftliche Werke aller Art und sprachwissenschaftliche Abhandlungen bis hin zu Kinderbüchern und umfangreichen literarischen Produktionen von Lyrik und Prosa.

Geboren wurde Frida Prinoth 1922 in Urtijëi / St. Ulrich. Während des Zweiten Weltkrieges verbrachte sie 3 Jahre als Krankenpflegerin in einem Spital in Karlsruhe. Nach ihrer Heimkehr heiratete sie den Bildhauer Luis Piazza. Sie arbeitete zunächst als Bildhauerin und widmete sich zunehmend dem Schreiben und der Erforschung ihrer Muttersprache. Piazza starb 2011 in Urtijëi / St. Ulrich.

Literarisch gesehen, gehören der 1988 erschienene historische Roman L Nost. Ustoria de na vita (Der Unsere. Eine Lebensgeschichte) und die 2006 erschienenen Ustories (Geschichten) sicherlich zu den bedeutendsten Werken der Autorin. L Nost zählt neben dem gadertalischen Roman Sonn de ćiampanes (Glockenklang) von Angel Morlang zu den ersten dolomitenladinischen Romanen.

Ausgehend von der Lebensgeschichte des Hirten Nost, wird die Geschichte mehrerer Generationen von der Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in einem alpinen Bergtal erzählt. Der Roman endet mit dem Tod des Hauptprotagonisten Nost, der das Ende einer archaischen Zeit, die nicht mehr wiederkehrt, markiert. Die sprachliche Leistung, die Frida Piazza mit diesem Roman vorlegte, ist bis heute in der dolomitenladinischen Literatur unübertroffen.

 

Andri Peer vs. Felix Dapoz

Im Bereich der neueren rätoromanischen Lyrik lassen sich in den Werken des Engadiners Andri Peer und des Gadertaler Autors Felix Dapoz mehrere vergleichbare Merkmale aufzeigen. Wie andere rätoromanische Autoren behandeln auch sie in ihren Gedichten spätromantische Motive wie Natur, Mensch, Kunst, Liebe, Religion und Tod; innovativ für ihr Schaffen ist jedoch, dass sie in formaler Hinsicht den Anschluss an überregionale Strömungen gefunden haben.

 

Andri Peer

Andri Peer gehört zu den bedeutendsten rätoromanischen Lyrikern der Neuzeit. Geboren wurde er 1921 in Sent im Unterengadin. Er wurde Lehrer, entschloss sich jedoch bald darauf zum Studium der Romanistik. Während seines Parisaufenthalts lernte er berühmte Persönlichkeiten wie Paul Eluard, Henri Michaux und Alberto Giacometti kennen. Mit seinem unermüdlichen Engagement wurde er ein Botschafter der romanischen Sprache und Literatur. Gestorben ist er 1985 in Winterthur.

Peer hat die rätoromanische Lyrik aus der Enge der Heimatdichtung befreit, indem er ihr auf dem Wege der Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen europäischen Literaturen zu einer größeren Universalität verhalf. Seine erste Gedichtsammlung La trais-cha dal temp (Tanz der Zeit) erschien 1946. Das Gedicht Temp sainza temp aus dem Jahre 1969 liegt uns auch in einer Übersetzung ins Ennebergische vor.

 

Temp sainza temp   Zeitlose Zeit                                     Tomp zonza tomp (15)

Tuornast dal viadi,     Da kehrst du heim von der Reise,  Te vëgnes dal iade,

tardiv abiadi.               ein später Nachfahr.                         neo tardí.

Quista saira amo,        Noch heute Abend,                           Ensnet ćiamó

illas glüms da la cità   mitten in den Lichtern der Stadt,    tles löms dla ciüté

at volvarast inavo        wirst du zurückschauen                     t’ojaràste endô

vers il temp                  in die Zeit,                                           cuntra le tomp

cha’ ls babuns             da voll Haar                                         che i antenać

staivan pailus             und feucht von Talg                           stea porusc

aint il cuvel                 in der Höhle standen                          dant ala tana

ümid da saif,              die Vorfahren,                                     timpla da sëi,

il sen drizzà                den Blick gerichtet                              i sonć oć

sül god ondulà            auf den gewellten Wald,                     söl bosch nainé

chi zoppa butin -         der Beute birgt -                               co stopa la roba.

Ed uossa                     Und jetzt                                             Y sën,

millennis inters          die vage Zeichnung                             dai mile agn intiers

fan in teis sang           von Jahrtausenden                             fej te to sanch

ün tuorbel disegn.        in deinem Blut.                                  en turgher dessëgn.

 

Felix Dapoz

Felix Dapoz wurde 1938 als letztes von 17 Kindern in La Val / Wengen im Gadertal geboren. Er besuchte das Vinzentinum in Brixen, die Oberschule in Bozen, dann die Lehrerbildungsanstalt in Meran. Ab 1962 war er Lehrer an verschiedenen Schulen im Gadertal. 1966 übersiedelte er nach Toblach, wo er 25 Jahre lang unterrichtete und bis heute als Chorleiter und Organist tätig ist.

Dapoz ist v. a. Komponist und Dirigent. Dies spiegelt sich in der Prosodie und Musikalität seiner Gedichte wider. Als Lyriker gelang es ihm, sich immer mehr aus der Enge Ladiniens zu lösen und seine Themen in universellerem Sinne zu gestalten. Belardi (1985, 107) nennt ihn ‹il poeta [ladino] più internazionale›. Ein unverwechselbares Kennzeichen des Autors ist sicherlich sein poetisches Ladinisch. Die Gedichte weichen stark von der umgangssprachlichen Diktion der Lyrik der meisten ladinischen Autoren ab. 1982 erschien der Gedichtband In banun (Ziellos) und 2009 L’opera poetica di Felix Dapoz, herausgegeben von Carlo Suani. Das Gedicht Slef wurde 1982 erstmals veröffentlicht.

 

Slef (16)                                        Lippen

Catacombes dla nöt                       Katakomben der Nacht

desmëna turmënt,                          verlängern die Qual,

iö sflochi inciurní                          ich pflücke betört

tües röses di slef.                           deine Rosen von den Lippen.

Rosadüra te arćiada                     Glühende Wölbung

tüa boćia in flu                             dein Mund in Blüte,

russié dla sëra                               Abendröte

desgorj tl pursurí.                         verschwindet im Schatten.

Ducia pascentada                         Süße Nachtweide

tla tera de mi soms,                       meiner Traumwelt,

tö urt rugurënt                               von Milch und Honig

de lat y mil.                                   quellender Garten.

Tö faidl jintil                               Du zartes Zierpflänzlein

te en incrujamënt murjel,             in sanfter Verflechtung,

incantada dla flüta                       Verzückung der Flamme

sön mî gran altè.                           auf meinem großen Altar.

Impò brüj desert                           Doch verbrennt die Wüste

pasciüda bajada                           gesättigte Küsse,

y endô jaiun é mî cör,                   und wieder nüchtern ist mein Herz,

da aicia scrocun.                          der Liebkosungen Dieb.

Insciö iö sbrisci                            So gleite ich

pur saurun dla tràina                  durch den Sand der Qual,

sot arpié dla sëi                             gefangen vom Durst,

incuntra a scür dezip.                  dem dunklen Verderben entgegen.

 

 

Zeitgenössische Literatur

 

Eine historische Entwicklung der rätoromanischen Literatur ist schwer auszumachen, da deren literarische Produktion primär durch die Individualität einzelner Persönlichkeiten und die Eigenart einzeln dastehender Werke geprägt ist.

Besonders im Bereich der zeitgenössischen Literatur stoßen wir auf eine Reihe originaler bzw. origineller Autoren, wie z. B. auf den Oberengadiner Göri Klainguti (*1945 Pontresina). Charakteristisch für seine Erzähltechnik ist, dass die auktoriale Perspektive stellenweise durchbrochen wird, indem der Autor oder der Erzähler unmittelbar mit dem Leser in Zwiesprache tritt. Mit seiner Devise curt ma sëch (kurz aber heftig) weist der Grödner Autor Josef Kostner (*1933 Urtijëi / St. Ulrich) selbst auf ein individuelles Merkmal seiner Gedichte hin.

Parallel zu unserer zunehmend uniformer werdenden Welt wird auch das Schaffen der zeitgenössischen rätoromanischen Autoren immer gleichförmiger. Diese Öffnung ermöglicht es ihnen, sich den zeitgenössischen literarischen Trends anzuschließen und sich erfolgreich mit Autoren aus ganz Europa zu messen. Als Beispiel hierfür kann die Gadertaler Lyrikerin Roberta Dapunt (*1970 San Linert / St. Leonhard) genannt werden, die durch ihre Publikationen in einem renommierten italienischen Verlag überregionale Bekanntheit erfuhr. Einen vergleichbaren Erfolg erzielte der Surselver Prosaautor Arno Camenisch (*1978 Tavanasa), der nach seinen Erstlingstexten auf Romanisch erst mit seinen später auf Deutsch verfassten Büchern europaweit Anerkennung fand. Der literarische Horizont dieser zwei Autoren sprengt bei weitem die rätoromanischen Grenzen, und dies nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich und formal.

 

 

Schlussbemerkung

 

Die rätoromanische Literatur kann man nur schwer nach den etablierten Epochen der Literaturgeschichtsschreibung unterteilen. Falls solche Epochen überhaupt auszumachen sind, dann nur zeitlich verschoben bzw. verspätet und bruchartig. Eine gewisse Rückständigkeit in dieser Hinsicht ist – vor allem in den Dolomiten – aufgrund des späten Übergangs von mündlicher Überlieferung in schriftliche Fixierung, aufgrund der geringen Anzahl von Sprachträgern, aufgrund sozioökonomischer Gegebenheiten usw. offensichtlich und erklärbar. Die Frage ist, ob diese Lücke durch ein forciertes Wettbewerbsstreben und Rivalisieren mit modernen Kulturtrends geschlossen werden sollte. Doch wir befürchten, dass das Bestreben nach einer Emanzipation der ladinischen Literatur auf diesem

Wege eher scheitern würde, da doch die Entstehungsprämissen und die Qualitätsmaßstäbe der sogenannten großen Literaturen mit unseren Literaturen wenig gemein haben. Die rätoromanische Literatur ist sicherlich besser beraten, wenn sie ihren eigenen und eigenständigen Weg weitergeht, indem sie in sich selbst neue originelle Formen und v. a. eine eigene Sprache sucht: eine Sprache, die sich in ihrem Stil und in ihren Ausdrucksformen erneuert. Erneuerung heißt aus heutiger Sicht aber nicht, dass man sich vordergründig jeglicher Tradition entledigen müsste, sondern vielmehr dass es darauf ankommt, auf der Grundlage der überlieferten, situativen Gegebenheiten innovative Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Als Vorbilder dafür könnten den rätoromanischen Autoren die zeitgenössischen und mittlerweile weithin anerkannten dolomitenladinischen Bildhauer und bildenden Künstler gelten (vgl. Bernardi/Videsott 2013, 1415). Auch die räumliche Enge der ladinischen Literatur erachten wir als durchaus nicht hinderlich für eine derartige Erneuerung und Modernisierung. Für gute Literatur ist nicht unbedingt eine große Stadt notwendig. Auch im Kuhstall (vgl. Nauz von Roberta Dapunt) oder im Tourismuschaos kann hochwertige zeitgenössische Literatur entstehen (vgl. dazu auch Riatsch 2008–09, 30–34).

 

 

ANMERKUNGEN

 

1. Erste Strophe des Textes der inoffiziellen Engadiner Hymne von Gudench Barblan (1860 Vnà–1916 Scuol), vertont von Robert Cantieni (1873 Ftan–1954 Cuoira/Chur).

 

2. Übersetzung ins Ladinische (Badiot/Gadertalisch) 1954 von Lejio Baldissera (1895 La Pli/ Enneberg Pfarre–1974 San Martin de Tor / St. Martin in Thurn).

 

3. Angela Palfrader spielte auf der Geige und sang vertonte Gedichte unterschiedlicher Autoren.

 

4. Mit dolomitenladinischer Literatur ist die Literatur der historischen brixnerischtirol erischen Ladinia gemeint; sie umfasst Texte von Autoren, die ihre Werke in einem Idiom des Gadertals (Badiot), Grödens (Gherdëina), des Fassatals (Fascian), Buchensteins (Fodom) oder Ampezzos (Ampezan) (einschließlich der gemeinsamen Schriftsprache Ladin Dolomitan) verfasst haben.

 

5. Mit bündnerromanischer Literatur ist die Literatur des rätoromanischen Gebiets Grau bündens gemeint; sie umfasst Texte von Autoren, die ihre Werke in einem Idiom des Vorderrheintals (Sursilvan), des Hinterrheintals (Sutsilvan), des Oberhalbsteins und Albulatals (Surmiran), des Oberengadins (Puter) oder des Unterengadins und des Münster tals (Vallader und Jauer) (einschließlich der gemeinsamen Schriftsprache Rumantsch Grischun) verfasst haben.

 

6. Friaulisch (Furlan) wird heute vor allem noch in den Provinzen Pordenone (Pordenon), Udine und in den karnischen Alpen (Cjargne) gesprochen. Weit verbreitet ist es darüber hinaus in der Provinz Gorizia (Gurize) und im Osten der Region Venetien (Vignesie).

 

7. Jörg Cajacob (1492 Bonaduz–6.9.1529 Klausen) war ein römisch­katholischer Priester und später eine führende Persönlichkeit der radikalen Reformation. Sein Wirkungsgebiet als Täufer war das Umland Zürichs, das Berner Gebiet, die Ostschweiz und Südtirol.

 

8. Zur Auffindung der Grammatik und zum Schicksal weiterer Manuskripte der berühmten Bibliothek des evangelischen Theologen und Romanisten Carl Eduard Böhmer (1827 Stettin–1906 Lichtenthal bei Baden-Baden), die sich heute in der Universitätsbibliothek Krakau befinden, vgl. Videsott 2011. Auf diese Untersuchung basiert Leo Tuors Erzählung: Berlinka, in: Tuor 2014 und Die verschwundene Bibliothek in: Tuor 2016, 169–175.

 

9. Für den entsprechenden Hinweis und die Einsichtnahme ist dem Klosterbibliothekar Pater Plazidus Hungerbühler zu danken.

 

10. Ein Teil der originalen Aufzeichnungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges wurde veröffentlicht in: Runggaldier­Mahlknecht, Margareth (Hg.) (2015): Wenn doch endlich Frieden Wäre! Aus dem Tagebuch der Filomena Prinoth-Moroder. Gröden 1914-1920, Bozen/Wien, Folio Verlag. Auf Ladinisch haben wir: Prinoth Moroder, Filomena (1978): Lecurdanzes de l’ava. Plates de diare crisses danter ora y ciancedes tl gherdëina da Elsa Runggaldier. Urtijëi, Union di Ladins de Gherdëina.

 

11. Veröffentlicht in Kattenbusch 1994, 318–333, mit dt. Übersetzung.

 

12. Die deutschsprachigen Südtiroler und die Ladiner aus Gröden, dem Gadertal, Buchenstein und Ampezzo, nicht aber des Fassatals, mussten sich ab Dezember 1939 für die Umsiedlung nach Deutschland (Heim ins Reich) oder für den Verbleib in der Heimat (Dableiber) entscheiden (optieren).

 

13. Tosi, Max (1975): Ciofes da mont (Bergblumen). Urtijëi, Union di Ladins de Gherdëina.

 

14. Frida Piazza könnten wir auch dem Prosaautor Oscar Peer (1928–2013) gegenüberstellen.

 

15. Übersetzung ins Ennebergische/Mareo von Lois Trebo laut La Usc di Ladins 1.9.1977, 16. Originaler Text auf Vallader laut PEER 1980, 16, dt. Version ebendort (S. 17).

 

16. Text laut Dapoz 1982, 48–49, dt. Übersetzung laut Bernardi/Videsott 2013, 893–894.

 

 

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Trebo, Angelo (1988): Poesíes, Helga Dorsch­Craffonara (Hg.), Urtijëi, Uniun Maestri Ladins.

Tuor, Leo (2014): Viceversa 8/2014 (in allen vier Landessprachen).

Tuor, Leo (2016): Auf der Suche nach dem verlorenen Schnee. Erzählungen und Essays. Aus dem Rätoromanischen von Renzo Caduff, Michel Decurtins, Elisabeth Peyer, Claudio Spescha, Flurin Spescha und Christina Tuor­Kurth, Zürich, Limmat Verlag.

Verone, Luzian (2 2000): Rassegne di Leterature Furlane, Udin, Societât Filologjiche Furlane.

Videsott, Paul (2011): Die rätoromanischen Handschriften der Sammlung Böhmer im Berliner Bestand der Biblioteka Jagiellońska / Universitätsbibliothek Krakau, in: Vox Romanica 70, 150–190.

Videsott, Paul (2013): Die erste dolomitenladinische Grammatik: Versuch zu einer Grammatik der Grödner Mundart / Per na Gramatica döl Lading de Gerdöna von Josef David Insam (1806 ca.), in: Darms, Georges; Etter, Barbla (Hgg.): Akten des V Colloquium retoromanistich (Lavin 28.–31.8.11), 47–51.

Wolff, Karl Felix (1981): Dolomitensagen, Innsbruck, Tyrolia, 15. Aufl. (Die 1. Ausgabe erfolgte 1913).